Em Derfje: Als Wollendorf noch eine Schmiede hatte

Lesedauer 3 Minuten

Oder: “De Schmidde Jakob

Als der “Schmidde Jakob” vor einigen Jahren ins Gras beißen musste, da entstand im Dorf eine
spürbare Lücke, obwohl niemand von derselben etwas in die Zeitung setzte. Mir fehlte der alte, aber sehnige Mann im Arbeitskittel, der sein Fahrrad stets neben sich herschob.
Im Gespräch mit ihm kam man schnell auf den Punkt.
Er hatte nämlich einen festen Standpunkt, von dem ihn keiner abbringen konnte. Da war zum Beispiel seine Auffassung vom Eigentum an landwirtschaftlichen Parzellen, von denen er nicht wenige besaß. Hatten sie einen Zugang zum Wasser, dann waren sie unveräußerlich.
Denn: „Wenn de och nur än Koh tränke un ernähre kannst, beste schon god raus.“
Es genügte, dass sein Stück Land nur an ein kleines Bächlein anstieß.
In den Nachkriegsjahren mit ihrem Bauboom, biss sich mancher die Zähne aus, der vom Schmidde Jakob eine Bachparzelle kaufen wollte. Selbst bei einem Angebot, seine Parzelle mit einer anderen „am Wasser“ zu tauschen, blieb er hart. Tauschen war ihm ohnehin suspekt.
Überhaupt hatte er gegenüber dem modernen Leistungsaustausch seine Vorbehalte. Fällig wurden seine Rechnungen für Schmiedearbeiten immer erst, wenn er für ein konkretes Vorhaben selbst Geld benötigte. Sonst musste man seinen Arbeitslohn schon eindringlich anmahnen; mit dieser Merkwürdigkeit stand er damals im Kreise seiner Handwerkskollegen allerdings nicht allein; wohl dem, dessen Eheweib diesen „Schreibkram“ in die Hand nahm. Es schreckte den Schmidde Jakob nicht, wenn man von der Vergesslichkeit von Schuldnern und von Zinsverlust redete. „Dat es doch käne Lomp“, sagte er, wenn das Wort Verjährung fiel.

Tore, Gitter und Scharniere knarrten oft bereits die erste Ölung herbei, bevor der Schmied von Wollendorf seinen Werklohn in Rechnung stellte. Fachlich galt der Schmidde Jakob als zuverlässig, ehrlich und als Könner. Für das Alltagsgeschäft, das Beschlagen eines Pferdes hatte er wohl feste Preise. Da bedurfte es also nicht einmal einer mündlichen Ansage. Merkzettel, Lieferscheine usw. hätten sich in der verrußten Schmiede auch kaum gehalten. Die alte Schmiede stand in Wollendorf an dem Platz, wo die Karl-Marx-Straße den Knick nach Westen macht und die Rockenfelder Straße beginnt, also am (damaligen) Papierwarengeschäft Kaupat.

Die Lage der Schmiede in einer alten Luftaufnahme


Er hatte sie so übernommen, wie sie von Alters her eingerichtet war.
Alle Geräte waren nicht neu, aber gebrauchsfähig. Jedes Stück hatte seinen griffnahen Platz.
Das Feuer, das in der Esse mittels Blasebalg schnell zu entfachen war, der Amboss, um den man sich von jeder Seite bewegen konnte, Hammer, Greifzangen und jede Menge Gerät und Material.
Im Hof vor dem Eingang zur Schmiede stand eine Eiche, an deren Ring das Pferd angebunden werden konnte.
Als sie vor einem Menschenalter mit ihren vielen Narben abgesägt wurde, ging ein wichtiges Zeichen des alten Dorfes Wollendorf verloren. Schon vor ihr hatte dort einige hundert Jahre lang „die“ Eiche gestanden. Unter diesem Baum hatten die Märker-Mitglieder der Märkerschaft Feldkirchen ihr Märkergericht abgehalten.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts verlegte die 500 Jahre alte Waldgenossenschaft ihr („Thing“) Gericht an die alte Linde neben der Feldkirche.

Früher hatten andere Dörfer des Kirchspiels Feldkirchen ebenfalls ihre Schmiede, so z.B. Fahr in dem Hause, das später Ernst Winkens gehörte. Auch dort flogen die Funken, wenn das Eisen auf dem Amboss gerichtet wurde, auch dort zischte und qualmte das zum Abschrecken benutzte Wasser; auch dort drückten sich die Jungens, wenn der Schmied, der Mann mit dem verrußten Gesicht, kräftig werkte und zuschlug, ein Pferd scharrte und wieherte und die Bauern sachverständig mit zupackten. Für die Mädchen gab es ebenfalls spannende Augenblicke – hoch zu Ross.

Ein Aufsatz von “Zeitze Bruno”

Das Beitragsfoto von 1925 (vor vielen Jahren von mir mal coloriert) zeigt de Schmidde Jakob (rechts) mit einem Gehilfen (?), ein junges Mädchen auf einem Pferd und im Hintergrund ein kleines Mädchen mit einer Karre.
Rechts ist die Schmiede mit der Eiche und man blickt in Richtung der alten “Wollendorfer Burg” die Karl-Marx-Straße hoch.


Hier findest du die alte Schmiede auf der Karte.






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